nachrichten.at - Kugelsichere Lederhosen
Selbst gekrönte Häupter müssen auf die handgefertigten Lederhosen von Peter Ahamer acht Jahre warten. "Wer heute bestellt, bekommt die siebennähtige Erzherzog-Johann-Hose im Mai 2020", sagt der Ebenseer Säckler.
Ahamers Kundschaft ist nachsichtig, aber gleichzeitig sehr beharrlich. Gehört es doch in der High Society beinahe zum guten Ton, eine ahamer'sche Lederhose im betuchten Kleiderkasten hängen zu haben: 140 Stunden Handarbeit investiert der Lederhosenmacher in jedes einzelne Stück, verziert nach alten, traditionellen Mustern die hirschledernen Hosen.
"Ernst August von Hannover besitzt eine meiner Krachledernen, ein bekannter New Yorker Modefotograf und auch hohe Tiere der Schweizer Nationalbank zählen zu meiner Kundschaft", sagt Ahamer.
Doch um bei dem traditionsbewussten Lederschneider einkaufen zu können, braucht der Kunde auch eine ordentliche Portion Humor.
Der Säckler ist voll und ganz in seinem Element
Als vor vielen Jahren der damalige König von Griechenland im Geschäft sein gekröntes Haupt zu erkennen gab, um eine Lederhose zu kaufen, antwortete Ahamers Mutter nur knapp: "Jaja ... Alles klar ... Wenn Sie der König von Griechenland sind, ist mein Vater der Kaiser von China." Ins Geschäft sei man aber dann doch noch gekommen. Denn immerhin sei es ja ums Produkt gegangen. Und dem Schmäh aus dem Salzkammergut könnten gerade eben Könige wie Kaiser nicht widerstehen.
Was den Ebenseer Naturburschen Ahamer besonders freut? "Wenn die feinen Herren, die sich sonst alles kaufen können, ein bisserl warten müssen. Denn ist die Hose erst einmal fertig, strahlen die Augen der neuen Besitzer wie die eines kleinen Kindes."
Stich für Stich zieht Ahamer die Nadel mit dem grünen Seidenfaden mit einer Zange durch das Hirschleder. "Die Hosen sind weich aber dick. Ich sag' immer: ,fast kugelsicher sind' s'", scherzt der 61-Jährige. Er sitzt gebückt auf einem bescheidenen Schemel neben seiner Nähmaschine am Fenster. Eine starke Brille ziert seine Nase: "Die Arbeit ist körperlich anstrengend - wie oft ich mir die Nadel schon quer durch die Fingerkuppen und unter den Daumennagel gestochen habe, weiß ich nicht mehr."
Bestechungsresistent
Bei einer Wartezeit von mehr als acht Jahren für eine Lederhose stellt sich freilich eine grundlegende Frage: Was, wenn der Kunde in der Zwischenzeit dicker geworden ist? "Das ist kein Problem", sagt Ahamer. Denn: "Ich nehme ja jetzt nur die Bestellung auf - abgemessen wird der Kunde erst drei Monate vor der Lieferzeit." Ja, selbst bestochen hätte man den unscheinbaren Säckler aus Ebensee schon, um in der langen Warteliste vorgereiht zu werden. "Da hätten s' mir schon mehr als 1000 Euro extra geboten. Aber wenn ich mir das anfange, dann kann sich der kleine Mann aus dem Salzkammergut so eine Hose nicht mehr leisten. Und das darf nie so sein."
Bei den Preisen bleibt Ahamer trotz betuchter Kundschaft auf dem Boden: Die handgemachten siebennähtigen Lederhosen kosten zwar bis zu 6000 Euro. "Ich glaub' aber, ich könnt' das Vierfache verlangen." Die einfacheren Krachledernen gibt es ab 1500 Euro.
Ahamers Mitarbeiter Rudi Daxner hat auch einen Tipp, wie sich so eine Hose am besten finanzieren ließe: "Bei der Wartezeit kann man locker einen Bausparer anlegen. Der ist dann ausbezahlt, wenn die Hose fertig ist", sagt der junge Mann, der im Sommer das Geschäft übernehmen wird.
Roggenmehl als Kleber
Daxner hat beim Meister gelernt, sitzt nebenan auf einem Hocker und verklebt Lederstücke mit Roggenmehl und heißem Wasser. So hat man das im Salzkammergut schon vor Jahrhunderten gemacht. Und so wird es der Betrieb auch weitermachen.
In der bescheidenen Handwerksstube riecht es nach Gegerbtem. An der Wand hängen vergilbte Schnittmuster. Gut kann man glauben, dass die Werkstatt sich in den letzten 50 Jahren nur wenig verändert hat. Selbst die Nähmaschine hat schon einige Jahre auf dem Buckel. "Die aufgestickten Motive habe ich von meinem Vater übernommen - sie reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück."
Schon von der Weite erkennen Ahamers Adleraugen, um welche Lederhose es sich handelt. "Die oberösterreichischen Salzkammerguthosen haben vier Hirschhornknöpfe, die steiermärkischen hingegen vier Rinderhornknöpfe. Und die bayerischen Hosen schauen sowieso ganz anders aus. Die Stickerei ist in weiß gehalten und gefüllt."
Fälschungssicher
Weil nun aber weit mehr Nachfrage nach den Lederhosen herrscht, als gefertigt werden können, sei so mancher Traditionsbewusste schon mit einer falschen Hose dahergekommen. "Die wollten sich dann ein Etikett mit meinem Logo einnähen lassen. Bei so etwas mache ich sicher nicht mit", zeigt sich Ahamer ganz schockiert. "Sonst haue ich mir noch meinen Namen z'samm - das kann ich kurz vor der Geschäftsübergabe gar nicht brauchen ..."
Von Christina Tropper